Paul Bonatz

Der Schwäbische Merkur berichtet in seiner Abendausgabe vom 21. April 1909:

»Die Lerchenrainschule wurde von den Architekten Paul Bonatz und F. E. Scholz erbaut, sie enthält 32 Schulsäle, zwei Reserveklassen, die nötigen Lehrer- und Lehrmittelzimmer, einen Frühstücks-Abgaberaum, ein Schülerbad mit Auskleideraum und eine Hausmeisterwohnung. Der Erbauer, Paul Bonatz, wies in seiner Ansprache daraufhin, dass die Überschreitungen des Kostenaufwands dadurch verursacht wurden, dass allein für die komplizierten Betonarbeiten 120.000 Mark ausgegeben werden mussten. Gemeinderat Ludwig sagte, es sei hier ein Bau entstanden, der auf Jahrhunderte hinaus den Schulzwecken dienen könne.«

Schwäbischer Merkur

PauI Bonatz ist am 6. Dezember 1877 in Solgne in Lothringen geboren, wo sein Vater als Zoll-Inspekteur arbeitete. Seit Ende des deutsch-französischen Krieges 1871 gehörte Elsaß-Lothringen wieder zum Deutschen Reich. Nach einer glücklichen Jugend in verschiedenen elsässischen Kleinstädten studierte er seit 1894 in München Architektur, vor allem bei Theodor Fischer, der später Professor an der Technischen Hochschule Stuttgart wurde und hier das Kunstgebäude und die Heusteigschule gebaut hat.

Schon als Student hat Paul Bonatz mehrere Architekturpreise gewonnen. Nach seinem Examen 1899 arbeitete er zunächst im Stadtbauamt München. Von 1902 bis 1906 war er Fischers Assistent an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Als Fischer 1908 wieder nach München zurückging, wurde Paul Bonatz mit 31 Jahren sein Nachfolger als Professor. Im selben Jahr gewann er die Ausschreibung für die Lerchenrainschule, die am 21. April 1909 eingeweiht wurde.

In den drei Stockwerken der Lerchenrainschule wurden damals drei verschiedene Schulen untergebracht: Im Erdgeschoss die katholische Volksschule mit sieben Klassen, im ersten Obergeschoss die evangelische Volksschule mit 20 Klassen, im zweiten Obergeschoss die Mädchenmittelschule mit acht Klassen. Neu für die damalige Zeit waren ein Schülerbad und eine Schulküche für die hauswirtschaftliche Berufsschule. Die Baukosten betrugen 723.000 Mark

Paul Bonatz war ein konservativer Architekt, dem Heimatstil genauso verbunden wie sein Lehrer Theodor Fischer. Mit modernen Bauten wie der Weißenhofsiedlung konnte er nicht viel anfangen. Trotzdem er war keines Nationalsozialist. Im zweiten Weltkrieg ging er mit 66 Jahren nach Ankara und wurde dort Professor an der Technischen Hochschule, wo er sechs Jahre lang von 1943 bis 1949 blieb.

Das Hauptwerk von Paul Bonatz ist der Stuttgarter Hauptbahnhof, der von 1914 bis 1928 errichtet worden ist. »Der Bau des Stuttgarter Bahnhofs ist für meine Entwicklung als Baumeister das wichtigste Kapitel« schreibt er in seiner Autobiographie »Leben und Bauen«, Engelhorn-Verlag 1950.
 
In seiner Lebensbeschreibung zählt er sieben Punkte auf, die Richtlinien seines Berufs als Architekt gewesen sind:

  • Dem Wohnhaus Wärme und Ruhe und Heimatgefühl
  • Dem Juwelierladen alte Kultur
  • Dem Bürohaus straffe Ordnung und Klarheit
  • Dem Ehrenmal Ernst und Würde
  • Dem Steinbau die Monumentalität der Dauer und
  • Der Stahlbrücke die knappste sachliche Schönheit.

Man möchte noch ergänzen »Und dem Schulhaus ein Flair, das die Schüler ermuntert, gern hineinzugehen.«
 
Paul Bonatz ist am 20. Dezember 1956 in Stuttgart gestorben.

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