Erinnerungen einer Schülerin
»Das Eiernest und der Hahnwald waren vor fünfzig Jahren unser verschwiegenes Kinderparadies. Plötzlich erstand am Waldrand ein großes, schönes Gebäude, die Lerchenrainschule. In allen Zeitungen wurde diese Schule als die schönste Waldschule, die modernste und gesündeste Volksschule gepriesen.
Ich war damals bereits ein Jahr in der alten Römerschule. Voller Erwartung besichtigte ich an einem Sonntag zusammen mit den Eltern die schöne Schule. Doch weder die herrliche Lage, noch die schöne Aussicht der neuen Lerchenrainschule lockten mich. Ich wurde unwiderstehlich von den schönen geplättelten Brunnen auf den Gängen angezogen. Meine kindliche Phantasie umkreiste diese Brunnen; mein ganzes Kinderglück schien darin versenkt zu sein. In diese neue Schule wollte ich gehen. Wenn es mir heiß werden würde, bräuchte ich ja nur auf den Gang zu gehen, und das kühle Wasser über Gesicht, Hände und Kehle laufen lassen. Ich bestürmte meine Eltern und meinen Lehrer und kam ohne große Schwierigkeiten in der 2. Klasse in die neue Lerchenrainschule. Ich war selig.
Doch das Glück währte nicht lange. Ein junger, frischer Lehrer durchschaute gar bald meine Verbundenheit mit den Brunnen und durch seine damals durchaus übliche Erziehungsmethode wurde die Gelegenheit zum Wasserspielen immer seltener und kürzer. Um so länger aber deuchte mir plötzlich der weite Schulweg zur Lerchenrainschule. Ich gab keine Ruhe, bis ich am 22. April 1910 wieder in die Römerschule kam, wo alle meine Geschwister zur Schule gingen. Der Pumpbrunnen im Römer-Schulhof gefiel mir auf einmal ebenso gut wie die schönen, neuen Brunnen in den Gängen der Lerchenrainschule.«